Donnerstag, 27. April 2017

Ist Tamsin paranoid?


Von gestern besagter Spar-Tipps-Fragebogen sollte heute besprochen werden. „Naja, das sollte es… Ein Anleiter hatte zuvor auch gesagt, dass wir heute Wandern gehen würden. Ein anderer hatte erwähnt, dass die Bilder an diesem Donnerstag weitergemalt werden sollten.“ Stattdessen gab es heute das Frühstück, dass eigentlich schon vor zwei Tagen angedacht war. Tamsin hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet, weswegen sie nach dem Erwachen zwei statt wie üblich einer Scheibe Toastbrot verspeist hatte. Danach war sie satt. Später hatte sie Angst, dass sie ein ganzes Brötchen nicht mehr schaffen würde. Aber da es ihre Lieblingssorte von Lidl mit dem guten Käse gab, konnte sie nicht Nein sagen. Was schon seltsam ist. In anderen Maßnahmen war sie immer die einzige, die nur mit einer Tasse Kaffee daneben saß, während alle aßen. Nun kommt es ihr schon ein wenig unangenehm vor, wenn jemand anderer neben ihr sitzt, der als einziger nichts isst. Nun versteht sie, wieso die anderen früher immer so verwirrt und beinahe schon aufdringlich waren, weil Tamsin nicht mitessen wollte.
Doch wer nicht mitisst erhält mehr Aufmerksamkeit als die, die essen. „Oft dachte ich, es wäre andersrum.“

Nun, da es doch sehr „privat“ ist, wurde beschlossen, dass die Spar-Tipps-Fragebögen in Einzelgesprächen durchgegangen werden. Aber anscheinend war das Interesse dafür nicht sehr groß, weshalb es schließlich… ausfiel… oder nicht mehr geschafft wurde, weil ein Hygiene-Küchen-Fragebogen an der Reihe war. Dieser wurde gemeinsam ausgefüllt, mit Namen versehen und wieder eingesammelt. Obwohl Tamsin nichtmehr glaubt, dass es um Kontrollen geht, wundert sie sich, dass die Zettel immer so sorgfältig eingesammelt werden. Vielleicht kommt es in einen Aktenordner, weil die Teilnehmer selbst keine Order dabeihaben. Damit es nicht zerknittert? „Vielleicht findet auch eine Analyse statt? Für das Jobcenter?“, denkt Tamsin, ohne sich dabei paranoid zu fühlen. Tut jemand seinen Zettel nicht ausfüllen oder tu dies unsauber, kann man viel daraus lesen: Die Person ist unsauber, gleichgültig, desinteressiert.
„Ja, ich bin mir sehr sicher, dass irgendetwas dahinterstecken muss!“ Und das muss mehr sein, als nur der Gedanke, einfach nur ein bisschen Zeit damit totzuschlagen.
Jeder hat das Recht auf Akteneinsicht; ein Recht, dass Tamsin gerne und öfters mal nutzt. Daher weiß sie, welche banalen Details in diesen Akten und Berichten festgehalten werden. Aussagen, Tätigkeiten und andere Banalitäten, bei denen man sich selbst fragt, was daran so interessant oder wichtig war, dass dies in so einem Bericht drinstehen muss.

Mittwoch, 26. April 2017

Irrungen und Wirrungen

In einem Gespräch hat sich herausgestellt, dass die Maßnahme höchstwahrscheinlich niemals bis 17Uhr dauern wird, da kein Anleiter so lange da sein wird.
Warum nicht? „Hm. Die Maßnahme geht offiziell bis 17Uhr – Vollzeit. Aber so lange ist niemand mehr da.“, wundert sich Tamsin. Müsste die Chefin dann nicht auch bis zum Schluss dableiben?
Der letzte Anleiter geht um 16:45. „Also wenn, dann musst du höchstens bis 16:45Uhr bleiben. Vermutlich bis 16Uhr. Aber nicht bis 17Uhr!“, wird ihr daraufhin erklärt.
Tamsin denkt sich nur: „O-kay.“ Fünfzehn Minuten machen keinen großen Unterschied. Dreißig wären auch geschenkt, wenn sie dennoch so lange auf den Bus warten müsste, mit dem sie dann erst um 17Uhr zuhause ist.
Anders als in ihrer vorvorigen Maßnahme ist das mit den Bussen hier oftmals ein Problem. Hier fährt nicht jede halbe Stunde einer, nein. Heute wurde gefragt, ob „gleich“ der nächste Bus käme. Tamsin wusste es nicht. Die andere Dame hat nur unsicher auf die Uhr geschaut. „O-kay…“
Letztlich kam der Bus nicht und sie mussten 1Km zur nächsten Haltestelle laufen, von wo der Nächste zeitnah abfahren würde. Zeit hatten sie, und da die Sonne schien hatte Tamsin dem kleinen Marsch nichts entgegenzusetzen. „Laufen tut gut.“
Seit drei Tagen fragt Tamsin täglich, wann sie denn neuen Feierabend hätte. Eine feste Zeit wurde ihr nie genannt. Bisher wurde sie zusammen mit den anderen recht früh entlassen.

Wie auch immer… Tamsin versucht es positiv zu sehen. Sie erhält Unterstützung in ihren seelischen Schwächen. Ängste und Druck sollen gemindert werden. Darüber sollte sie sich nicht beklagen. Sie ist sogar froh.

Einiges verwundert sie dennoch. „Heute früh sollten wir alle gleich zu Anfang ein Wort-Such-Rätsel lösen, indem Berufsbezeichnungen gesucht wurden. Anschließend, sobald alle fertig waren, wurden die Zettel wortlos eingesammelt.“ Tamsin vermutet, dass dies eine Art Test gewesen sein muss. Nur welchen Sinn könnte er haben? Jeder hat alle 10 Berufe herausgefunden, doch niemand scheint diese Aufgabe zu hinterfragen. Tamsin wundert es sehr, dass die Lösungen nicht einmal besprochen wurden.

Anschließend wurden dann beiläufig weitere Zettel verteilt. Spar-Tipps, die im Grunde aussagen, dass man sein Harz4 - Geld nicht für unnützes Zeug ausgeben solle. „Wieviel Euro gebe ich im Monat wofür aus, und muss ich das wirklich?“ Wieviel Geld opfert man für Musikdownloads, und braucht man diese Musik wirklich??
Nun, da dies von der Hauswirtschaftsleiterin verteilt wurde und Haushalt und Hauswirtschaft zusammengehören, könnte es einfach nur eine gutgemeinte Hilfestütze für Sparer sein. Doch die skeptische Tamsin vermutet mal wieder mehr: Spionage. Versteckte Kontrollen.

Dienstag, 25. April 2017

Unruhe



Tamsin Nächte sind unruhig. Sie ist nervös, so nervös, dass sie schon um 5Uhr morgens aufwacht und die übrigen zwei Stunden im Halbschlaf vor sich hindöst. Gestern Abend hatte sie wieder mit einem Hörbuch angefangen, wobei sie früh aufgehört hat, weil sie Geräusche höre, die sie an eine Maus erinnerten. Seit vor einigen Jahren einmal eine in ihre Gemächer eingedrungen war, packt Tamsin bei jedem nächtlichen Geräusch die kalte Klaue der Panik. Ihre größte Furcht ist, dass sie ihr nachts über das Gesicht krabbelt und Tamsin mit allerlei Krankheiten und Parasiten infiziert. Uah!
Offenbar war es diesmal keine. „Es kam wohl nur von draußen.“, erkannte Tamsin erleichtert.