Freitag, 28. Juli 2017

Ausflug zum Bungsberg



Mit der Gruppe war Tamsin auf dem Bungsberg und in den angrenzenden Wald gegangen. Obwohl es derselbe Ausflug war wie im letzten Jahr bereits in einer anderen Maßnahme, war doch alles anders. Die Chefin hat ihre Hunde mitgenommen. Nun, vor denen hat Tamsin erleichternder Weise keine Angst. Oder nur sehr wenig. „Nicht alle haben den Turm bestiegen.“ Nur drei Leute. Aufeinander gewartet wurde auch nicht. Als Tamsin wieder unten war, war von der wartenden Gruppe nichts mehr zu sehen. Nach kurzer Suchaktion wurde sich auf die Steine aufm Parkplatz gesetzt. Auch, nachdem sich alle widereingefunden hatten, wurde dieser Platz bis zum Ende nicht mehr verlassen. „Niemand hatte Lust, nochmal in den Wald zu gehen.“
Tamsin ist in keiner guten Stimmung. In dieser Gruppe gibt es keinen großen Zusammenhalt, im Gegensatz zu der anderen damals. Alle wirken oft distanziert. Jemand, der wie Tamsin ängstlich am Rand sitzt und kaum etwas sagt, wird beinahe… ausgeschlossen. „Ich fühle mich wie ein Mitläufer. Ich muss da sein, damit auf dem Papier in positiver Eintrag für die Anwesenheit gemacht werden kann, und das wars auch schon.“ Tamsin läuft hinterher. Tut, was getan werden muss. „Sogar die Hunde bekommen mehr Beachtung als ich.“
Naja, es könnte immer schlimmer sein. Anstatt nette Frauen hätten es auch Männer sein können, die sie auslachen und ihr vor die Füße spucken.  Tamsin sollte sich nicht beklagen.
„Wenigstens war das Wetter schön.“
Bei Abfahrt wurde gesagt, dass die drei Leute, Tamsin eingeschlossen, direkt in die Stadt zum Markplatz gebracht werden sollten, weil die Busse derzeit so ungünstig fahren. Tamsin stimmt freudig zu. Doch die andere Kollegin ist nicht erfreut. Sie bevorzugt den Bus, der sie direkt vor der Haustür rauslässt. Also wurden sie doch nicht in die Stadt gefahren. Tamsin war verwirrt. Ihrem Plan nach fährt der nächste Bus erst in einer Stunde an einer 1Km entfernten Haltestelle ab. Doch sie hat Angst es zu sagen, und fragen tut sie auch niemand. Unsicher schließt sie sich den beiden an, und wartet auf den Bus – der tatsächlich nicht kam. „Der Schulbus fährt in den Ferien nicht.“, erklärt sie, als die zwei sie dann doch ratlos ansehen. Naiv, wie Tamsin ist, hatte sie gedacht, dieser Bus käme doch. Dann mussten die zwei doch laufen – zur nächsten Haltestelle. Tamsin hat darauf keine Lust. „In dieser Zeit ich längst zuhause sein können.“ Genervt lässt sie sich von ihrem Dad abholen.

Donnerstag, 27. Juli 2017

Kaffeepech

Seit Tamsis Tassimomaschine kaputt ist, benutzt sie die ihrer Mom. Die hat einen so winzigen Wassertank, dass dieser alle drei Tage neu befüllt werden muss. Sie steht auf einem Schrank in einer Ecke. Und obwohl Tamsin sie schon schräg hingestellt hat, um mit der riesigen Flasche an den Tank zu kommen, läuft es jedes Mal etwas vorbei. Wo anders ist dafür kein Platz, und dann ist da auch noch der Toaster. Anders drehen kann sie die Maschine auch nicht, weil sie dann nicht mehr an den Schalter kommt. „Es plätschert.“, bemerkt Tamsin im Halbschlaf und späht nach unten. Ein Schwall Wasser läuft über den antiken Schrank nach unten und verfehlt die Steckdose nur um Haaresbreite. Es war dunkel. Die einzelne Glühbirne, die in einer Fassung an der Decke hängt, ist zu schwach. Mürrisch eilt sie ins Bad, um ein Handtuch zu holen. Doch dieses war fort. Ihre Mom hatte es zum Waschen mitgenommen. Und ein Neues konnte sie in Eile nicht finden. Notgedrungen nimmt sie ihr altes Shirt von letzter Nacht und wischt den Schrank trocken, damit sich das Holz nicht wellt.

Wie schnell die Zeit vergeht…
„Mir kommt es oft so vor, als wäre das Jahr gerade erst angefangen. Als stecken wir noch mitten im Frühling.“ Wenig hat sich verändert, doch schon nächste Woche beginnt der August. „Ich warte immer noch auf den Sommer - der bald schon wieder zu Ende ist.“

Der Tag in der Maßnahme war sehr langweilig. Viele Leute waren nicht da. Es gab Frühstück, für das Tamsin sich nicht begeistern konnte. Danach: nichts. Rumsitzen und warten. Wenigstens war früher Schluss.

Daheim arbeitet Tamsin an ihrem Roman. Die Nachbarin sitzt auf ihrem Rasenmäher. Beinahe eine ganze Stunde. Der Lärm dröhnt durch Tamsins dünne Holzwand. Immer, wenn es etwas wärmer wird, fangen die Nachbarn an, stundenlang ihren Rasen zu mähen. Entspannt im Garten sitzen, das kann Tamsin nicht! „Ich weiß nicht, ob dieser Roman überhaupt einen Sinn hat.“ Ob Tamsin ihn je veröffentlicht? Und selbst, wenn nicht. Das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun ist wertvoller als den Tag über nur zu Chatten oder Fernzusehen und am Abend beim Einschlafen zu wissen, nichts erwähnenswertes erreicht zu haben.

Mittwoch, 26. Juli 2017

Massenzwang


Wieder hat Tamsin im Geschäft nach Ohrhörern gesucht. „Dort waren fünf Regale voll! Und ausnahmslos alles nur diese In-Ear-Ohrenschmalzstopfer!“ Die Normalen sind wohl Out. Unmodern. Vielleich mögen diese Neuen wirklich besseren Sound haben. Dies ist jedoch kein Kompromiss für die Nachteile, die dadurch entstehen. Sie sind unhygienisch. Können den Gehörgang schädigen. „Einmal habe ich solche Dinger ausprobiert. Einmal. Nach zwei Sekunden lagen sie aufm Boden, obwohl sie nicht einmal bis zur Hälfte im Gehörgang steckten.“ Wahrscheinlich war dies ihr Fehler. Und selbst danach klebte der Schmalz dran. Nachdem sie sie vom Boden aufgehoben hatte, hatte Tamsin sich geweigert, sie noch einmal, dies Mal tiefer ins Ohr zu pressen. Seitdem hat sich das Thema In-Ear für sie erledigt.

Die Suche nach einem Smartphone mit Tastatur hat Tamsin vor 3 Jahren aufgegeben. > Auch so ein Nischenprodukt, dass viele wollen, aber niemand bekommt, weil es nicht hergestellt wird, obwohl die Industrie weiß, wie doof das Schreiben auf Touchscreen ist. Ständig vertippt man sich. „Der angebliche Grund ist: Es wäre zu teuer in der Produktion und niemand würde so etwas kaufen.“ Weil Tastaturen unmodern sind. Klingt absurd, aber Tamsin könnte das sogar glauben. Immerhin gibt es Menschen, die sich ein IPhone kaufen, nur um mit so einen coolen, modernen Teil anzugeben, selbst wenn das Ding weniger kann als ein normales Handy.

Damals hatte Tamsin nachgefragt, warum es das damals neue Honor Handy nur in China in Gold zu kaufen gibt. In Deutschland kam dies nur in Schwarz und Weiß raus. Die Antwort war: „In Deutschland wäre Gold nicht so beliebt.“ Ja, in Deutschland sind die Trendfarben eher grau, weiß, schlicht und langweilig. In jeder Hinsicht. Beim Wohnen, bei Kleidung. Aber muss sich deswegen jeder dem anschließen?
Inzwischen fahren auf den Straßen wieder vermehrt bunte Autos. Vor einigen Jahren hieß es, schlichte Farben wären seriös. Dass es kaum bunte Autos gab, war Tamsin aufgefallen. Wahrscheinlich war dies jedoch nicht so, weil die Menschen seriös wirken wollten. Die Industrie wollte, dass alle seriös rüberkommen und hat wohl einfach weniger farbige Autos produziert. Als Kunde hat man dann keine große Auswahl mehr. Man ist auf das Produkt angewiesen und dann heißt es: Entweder das Weiße, oder gar keins.

Bei Möbeln ist es nicht anders. Moderne Möbel sind kantig, dezent, schlicht und werden in „normalen“ Farben gehalten. Braun, weiß, grau, manchmal auch schwarz. Komplett goldene Möbel zu finden ist unmöglich. Und wenn, dann wird ein ganz dezentes, helles Gold verwendet. Möbel, die von der schlichten Masse abweichen findet man höchstens in teuren Spezialgeschäften. Barockmöbel findet man, wenn, dann nur noch in grau oder weiß. Gold ist out. „Die meisten, die ich kenne, kaufen im Discounter.“ Das hat zur Folge, dass alle Wohnungen „modern“ eingerichtet sind, ob sie wollen oder nicht.
Gut, dass Flohmärkte aus diesem Raster rausfallen. Hätte Tamsin dort nicht ihre Barockmöbel gefunden, wäre sie jetzt auch von modernen Standards umzingelt.

„Heute habe ich mir die Nägel komplett bunt lackiert. Weil ich es kann.“ Dabei gefällt Tamsin Schwarz viel lieber. Normalerweise bemalt sie sie immer schwarz. Andere finden schwarze Nägel „mutig“ oder anders. Tamsin fühlt sich damit wohl. „Schwaz macht schön.“ Die Bösen Wesen aus Gruselfilmen haben oft schwarze Nägel.
Im Kontrast zu diesem Wöchentlichen Bunt stehen ihre schwarzen Gewänder. Manch einer mag meinen, im Sommer sollte man nichts Schwarzes tragen. Aber das ist Tamsin egal.