Dienstag, 7. November 2017

„Meine Finger stinken immer noch nach Knoblauch.“

Tamsins Tag erweist sich als recht kummervoll. Eigentlich sollte sie heute die Präsentation, die für nächste Woche angesetzt war, halten. Mehrmals erwähnt sie, dass sie fertig ist und wartet, doch auch als nachmittags nur noch 3 Teilnehmer anwesend waren, kam nichts hinterher. Dann war es ihr auch egal. Dies ist so ein Tag, an dem ihr alles egal ist. Ihr Zahn quält sie, doch es kümmert niemanden. Warum auch? Tamsin hat Angst vor dem, was der Zahnarzt sagen wird – Angst, dass "man nichts machen kann." Angst, nicht mehr weiter zu wissen, weil ihr niemand helfen kann.  

Einige neue Teilnehmer waren da. Tamsin erwähnt, dass sie es unfair findet, dass allen gesagt wird, sie dürfen eine Präsentation über ein Wunschthema erstellen, nur Tamsin nicht. Auch das kümmert niemanden. Der Raum ist eiskalt, und sie zittert. Egal.  
Tamsin Googlet Therapiesachen, informiert sich über Psychosen. Die Zwiebeln nagen weiterhin an ihren Nerven. Dazu Panik vor dem Tag, an dem sie erneut auf sie zukommen. Andere Leute belächeln dies. Meinen, ja, ein bisschen Schmerzen und tränende Augen beim Zwiebeln-schneiden sind doch ganz normal. Das vergeht schon wieder... "Ich bin der wohl einzige Mensch, der sich eine Zwiebelallergie wünscht." 

Alles ist egal, und Tamsin schwelgt im Unglück. In solchen Situationen hat sie oft das Gefühl, keinen klaren Gedanken fassen zu können. Tamsin wird der Welt immer egal sein. 
Eine Kollegin, die Tamsin gernhat, weil sie mit ihr redet und immer nett ist, hatte heute ihren letzten Tag. Aber der Kuchen, den es gab, war noch gefroren und sie mochte den nicht. "Es ist immer schade, wenn nette Leute gehen und nur die übrigbleiben, die einen ignorieren..."  

Naja, später hielt Tamsin dann ihre Präsentation für 5 Leute. Die fanden ihre Grafiken witzig, doch Tamsin hatte nicht viel zu lachen, da ihre Stimmung noch immer im Keller war. „Ich hatte mich darauf gefreut, es der ganzen Gruppe vorzutragen. Voller Motivation.“ Aber letztlich spielt dies auch keine Rolle. Ein paar Minuten später denkt sowieso niemand mehr daran. So ist es immer.

Irgendwann danach war dann Feierabend. Die Zeiten stehen nach oben hin offen, und Tamsins Bus war gerade abgefahren. Also saß sie wieder alleine im Computerraum – gut, anstatt sich darüber zu ärgern sollte sie froh sein, nicht draußen in der Kälte eine Stunde stehen zu müssen. Um 16 Uhr war sie dann zuhause. Hat sich eine Dose Mais gemacht. Auf Fertignudeln hatte sie keine Lust. Danach hat sie noch aufgeräumt. Ablenkung tut gut. Danach hatte sie kaum mehr Zeit für ihre Serie. Letztlich war dies einer dieser Sinnlosen Tage, die beinahe nur aus Arbeit, essen und schlafen bestehen. Tage, bei denen es ihr graust, ihr Leben mit ihnen zu füllen. Würde sie nicht aufräumen, müsste sie einkaufen. Oder Duschen. Oder hätte Flurdienst. Für Hobbies oder andere lebenswerte Ereignisse bleibt da nicht viel Zeit.

Obwohl sich viel ändert, wendet sich letztlich doch nichts zum Guten. Andere helfen ihr ein Leben zu führen, das anders und richtig ist. Aber letztlich ist es auch nicht besser als das, was sie hatte. Den ganzen Tag bei den Eltern im Kinderzimmer zu hocken und immer dasselbe zu tun, alleine, das war sinnlos. Ein modernes Standartleben bestehend aus Arbeit, essen und schlafen scheint jedoch auch nicht sinnvoller.
Einige sagen, einen Bürojob zu bekommen wäre für sie möglich. Andere meinen das Gegenteil. Aber wer hat Recht?

Vielleicht wird Tamsin nie glücklich, weil sie selbst andere nicht glücklich machen kann. Sie hat keine Freunde, weil niemand sich bei ihr wohlfühlt. Sie tut nichts für andere, wenn sie selbst keinen Vorteil für sich darin sieht. Kann nicht selbstlos sein. Vielleicht ist gerade deswegen das Schicksal ihr Feind? Vielleicht erwartet sie zu viel von der Welt, weil sie es gewohnt ist, alles zu bekommen, was sie will, ohne etwas dafür zu tun? Sie bewundert Kollegen, die einfach so mal einen Kuchen für die Gruppe kaufen. Oder etwas verschenken. Ganz anders als ihr Dad, der Dinge lieber wegwirfst, statt sie anderen zu geben, von denen man vorher auch nichts bekommt. „Würde ich anderen etwas ausgeben sehe ich nur weniger Geld auf dem Konto und damit Verzicht auf etwas, das ich haben könnte und darum darauf verzichten muss.“




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