Oft fragt
Tamsin sich: „Warum bin ich wie ich bin, und warum kann ich nicht sein, wie ich
sein will?“
Tamsin
hat so viel Unglück. Tamsin denkt nur an ihr eigenes Glück. Will es erzwingen,
aber bekommt es nie. Sie war schon immer gierig. Hat nie geteilt und denkt
selbst, wenn sie anderen hilft nur an ihren Vorteil. An Anerkennung und die
Macht, die man hat, wenn man etwas kann, was andere nicht können. Man kann sein
Wissen - wie bei der Computerarbeit - verbreiten und bestimmt dabei, wieviel und an
wen. Die anderen sind dabei wie Untertanen, die danach gieren und einem mit
ihrer Hilflosigkeit das Gefühl der Überlegenheit geben.
Seit
einiger Zeit grübelt Tamsin darüber nach, ob dies der Fehler ist, durch den das
Schicksal sie zu dem macht, was sie ist. Allein. Unzufrieden. Unglücklich. „Vielleicht
sollte ich lernen, selbstlos zu werden?“ Sich nicht an Überlegenheit erfreuen,
sondern an der Dankbarkeit, die man erntet. Nicht zu warten, bis andere kommen
und bitten, sondern einfach aus freien Stück anbieten – auch, wenn es nicht
gebraucht wird. Wenn es ein Kuchen ist, den man kauft. Etwas Materielles.
Tamsin
hat oft von den „Zeugen Jehovas“ gehört. Oft wundert sie sich über Geschichten
die sie hört. Bis heute, als sie es selbst erlebt hat. „Ich habe meinen eigenen
Glauben und konnte dem Mann, der mir etwas über seinen Gott erzählt hat, nicht
ernst nehmen.“ Tamsin glaubt nicht direkt an „Gott“. „Ich glaube an das
Schicksal. Und an das Böse auf dieser Welt.“ Vielleicht sogar an die Unterwelt.
Naja, jedenfalls
erhielt sie dann ein Prospekt in dem es um das Thema „Schenken“ geht. Welch ein
Zufall. „Es gibt keine Zufälle.“ Aus Neugier heraus liest Tamsin sich das
einmal durch. Einfach so. Man sollte nichts verachten oder ablehnen, ohne es zu
kennen.
Wenn es
aber wirklich eine höhere Macht gibt, ganz gleich, wie sie heißen mag: „Was
will sie mir damit sagen?“ Soll Tamsin wirklich umdenken? Sich verändern und
diese Phase nicht nur wie ein Diätprogramm, das man abbricht, sobald der Hunger
zu groß wird, fallenlassen?
Gestern
war Freitag und nach dem WG Frühstück fährt Tamsin immer in die Maßnahme. Auf
dem Weg hört sie Musik, so ist das Laufen nicht so anstrengen. Selbst wenn es
Regnet und sie ihren Schirm nicht aufspannt, weil dann ihre hochgehaltenen
Finger so kalt werden. Ihre Chefin unterstützt sie dabei, eine Freundschaft zu
einer Kollegin erblühen zu lassen. Tamsin wundert sich sehr darüber, dass
jemand mit ihr Befreundet sein will, wo es doch dutzende andere Menschen gibt, mit
denen man sich viel wohler fühlen könnte, als mit der seltsamen, schüchternen Tamsin.
Nach der
Maßnahme wurden sie früher rausgelassen, damit sie zusammen etwas unternehmen
konnten. Viel gibt es da nicht, daher stöberten sie ein wenig in Kik rum, bis Tamsins
Bus kam.
Einerseits
hat Tamsin sich so etwas schon immer gewünscht. Andererseits ist sie sich nicht
sicher, wie sie damit umgehen soll und fürchtet, es letztlich doch wieder zu
vermasseln. Entweder, weil ihre Ängste doch zu stark werden. Oder weil erkannt
wird, dass Tamsin doch zu sonderbar ist, um mit ihr klarzukommen.
In ihrer
WG hat sie jemanden entdeckt, der sich ebenfalls gerne mit Videobearbeitung
beschäftigt, jedoch selbst keine guten Programme hat. Hmmm. Eine Gemeinsamkeit, die verbindet.
Doch Tamsin
traut sich wieder nicht, ihre Ängste zur Seite zu schieben.
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