Montag, 6. November 2017

Zwiebelhorror. Essenssorgen.

 
Tamsin war mit ihrer Betreuerin einkaufen. Dies war nicht angenehm, da ihre Ängste sie im Griff haben und Tamsin sich für ihre eigene Unfähigkeit schämt.

Bei der WG Besprechung äußert Tamsin ihre Abneigungen über die geplanten Gerichte. Auch gegenüber die ihr angebotenen Alternativen. Sicher, sie würde neue Dinge, die sie nicht kennt probieren. Doch wenn sie sie nicht mag, ist es schade um das Geld. Tamsin erwähnt dies jedoch nicht. Einige der anderen Bewohner sind genervt über die Diskussion. Tamsin, der das alles zu viel wird, schweigt, als es dann als nächstes um Frühstück geht. Bis auf das Nutella gibt es zu den Brötchen keine Dinge, die sie wirklich mag. Doch plötzlich traut sie sich nicht mehr, etwas zu sagen und nach einer Weile ist es ihr auch egal. Wen kümmert schon, was Tamsin will…
Ja, sie kann ihr eigenes Leben, wenn auch mit Vorschriften leben. Es ist besser als ewig von den Eltern abhängig zu sein. Besser als die ständigen Streitereien. Das ist der Preis.
„Werde ich je wirklich frei sein? Je von morgens bis abends über mich selbst bestimmen können?“ Ohne auf andere Rücksicht nehmen zu müssen? Ohne, dass andere ihr Leben beeinflussen?
„Wahre Freiheit ist nur eine Illusion.“

Da Tamsin nicht kochen kann, nimmt sie von nun an jeden Montag bei den Kochgruppen teil. Sind ja nur zwei Leute. Es war tatsächlich interessant, auch wenn Tamsin selbst nicht an den Kochtopf durfte – bis die Zwiebeln ausgepackt wurden und sich alles in einen Alptraum verwandelt. Neben dem Pesto wollen einige nämlich Bolognese. Tamsin spürt, wie ihr Herz zu rasen anfängt angesichts dessen, weswegen sie solche Großküchen verabscheut. Das Bild, wie der Koch ihr vor zwei Jahren die Zwiebeln in die Hand drückt, wie er es in der Woche darauf erneut tut und wie die Schmerzen Tamsin in die Knie zwingen erblühen in ihrem Geiste.
Schwache Erleichterung überkommt sie, als ihr die Wahl zwischen den Dingern und Knoblauch gelassen wurde. Doch schon nach wenigen Minuten muss Tamsin, die mit den Zwiebelnscheidern an einem Tisch sitzt, aufspringen, da ihre Augen es nicht aushalten – die anderen arbeiten reglos weiter.
Als sie es später anspricht, erntet Tamsin einen Scherz. „Ich kann darüber nicht lachen.“ Für sie ist es mutwillige Herbeiführung von Schmerz. Tamsin hat schon genug Schmerzen. Ihr Zahn. Nun der Rücken wegen der Matratze… „Ich hasse Zwiebeln!“
Ihr Tag war hinüber. Mehrere Stunden später brennen ihre Augen immer noch.
Der abartige Gestank haftet an ihr, verfolgt sie bis in den Schlaf. Abends sprang Tamsin aus dem Bett in die Dusche, um sich abzuscheuern. „Es ist überall. In der Kleidung. In den Haaren. Fässt man die Zwiebeln an, hat mans auch noch tagelang an den Fingern!“

„Ich habe mich aufs Kochen gefreut.“ Nun gibt es wieder etwas, was Tamsin das Fürchten lehrt. Erst die Sorge, dass etwas gekocht wird, was sie nicht mag und nun dazu auch die ständige Angst, wieder mit Zwiebeln konfrontiert zu werden. „In dieser Einrichtung soll mir geholfen werden...“ Wieder ein Beweis, dass Tamsins ewiges Unglück wohl niemals abklingen wird.
„Ich werde nicht tun, was ich hasse. Ich werde mir nicht selbst Schmerzen zufügen, nur, weil andere Hunger haben!“, schwört Tamsin. Andere nennen es Arbeitsverweigerung. „Ich nenne es Selbstschutz.“

Nachmittags fuhr Tamsin mit dem Bus ins Dort, um dort von ihrem Dad abgeholt zu werden, weil sie mit ihrer Mom nach Fielmann musste. Ihr graust es vor den langen Wartezeiten, weshalb sie sowas immer wieder aufschiebt. Doch nun wo die Urlauber weg sind, ging es recht flott. „Mal sehen, ob die Brille nun besser sitzt….“
Danach schaut sie sich im Schuhgeschäft um. Sie braucht dringend Winterschuhe, die nicht rutschen. Doch entweder passen sie nicht, oder sind zu teuer.
Danach tauscht Tamsin ihren Tisch um, weil der andere höher ist. Doch besser ist er auch nicht. Also sucht sie weiter nach einem Antiken.


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> „Was war besonders schön an diesem Tag?“

Das Pesto
Die Serie am Abend
Goldener Herbst im Sonnenschein
Als das Zahnwachs mich den Schmerz vergessen ließ


> „Wie fühlst du dich?“

Am Ende

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