Tamsin
fühlt sich verraten. Von sich selbst. „Vor zwei Jahren habe ich mir geschworen,
mich nie wieder zwingen zu lassen, etwas zu tun, was ich hasse. Mein ganzes
Leben lang tue ich nichts Anderes! Und doch kann ich nicht anders, als den
niederschmetternden Befehlen nachzugeben, seelische und körperliche Schmerz zu
ertragen und die Welt und mich für diese Schwäche zu hassen."
Es
ist beinahe wie ein Fluch. "Je stärker ich mich dagegen wehre, umso
mächtiger scheint er mich in seine Fänge zu ziehen." Tamsin war es immer
wichtig, einen Job zu finden, der ihr Freude bereitet. Eben weil sie diese
Erfahrung bislang noch nie gemacht hat. Und nun verlangt das Jobcenter von ihr
genau das Gegenteil. "Ich muss Dinge tun, die ich so sehr hasse, dass sie
mir den Verstand rauben, um zu lernen, dass das Leben nicht nur rosig ist."
Die
letzten vier Wochen war Tamsin an der Kasse. Diese Woche brauchte sie nicht,
was sie so sehr erleichterte, dass sie den heutigen Termin beim Amt ohne Tränen
durchstehen konnte.
"Ich
mach das Gut. Ich verbessere mich. Es tut mir gut.", so die Worte der
anderen, die penetrant wollen, dass Tamsin den Kiosk leitet. Dass Tamsin in der
Pause zum Weinen aufs Klo geht und nachts nichtmehr schlafen kann, weil dieser
Alptraum sie selbst im Schlaf heimsucht, kümmert niemanden.
Demnächst
wird sie in die HWI gehen. Dummerweise hat sie auch hier ihre Sorge
kundgegeben. "Werde ich wie früher den ganzen Tag nur stehen müssen, bis
mir die Füße bluten und Toiletten putzen bis mir der Rücken durchbricht?" In
Vollzeit?
Wieder
wurde gesagt, dass sie lernen muss, dass das Arbeitsleben auch negative
Aufgaben bereithält.
"Wahrscheinlich werde ich
stehen. Stundenlang, wenn es sein muss. Ich werde mich beklagen, weil ich diese
Arbeitsschmerzen hasse, dumme Sprüche zu hören bekommen und später zum Bus
humpeln. Dann mache ich mir einen Nudelbecher, werfe mich vor die Glotze und
der Tag ist gelaufen."
Tamsin bewundert Menschen, die
zu ihren Überzeugungen stehen. Eine Kollegin weigert sich vehement, an die
Kasse zu gehen. Sie kommt damit durch und wird auch nicht ständig damit genervt
oder abgemahnt, weil sie die Arbeit verweigert.
"Ich
wünschte. zu erfahren, ob dem Arbeitsleben auch etwas Positives anlastet?"
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„Dein Wille ist irrelevant, Tamsin!“
Ihre
alte Chefin hat ihr Unterstützung angeboten. Obwohl Tamsin nicht weiß, wie das
aus der Entfernung gehen soll, nimmt sie dieses Angebot an. "Egal, was ich
tue, ich mache letztlich sowieso alles falsch." Wie schlimm kann’s schon noch werden?
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