Freitag, 2. Februar 2018

„Muss ich durch die Hölle gehen, um ins Paradies zu kommen?“

 
Tamsin fühlt sich verraten. Von sich selbst. „Vor zwei Jahren habe ich mir geschworen, mich nie wieder zwingen zu lassen, etwas zu tun, was ich hasse. Mein ganzes Leben lang tue ich nichts Anderes! Und doch kann ich nicht anders, als den niederschmetternden Befehlen nachzugeben, seelische und körperliche Schmerz zu ertragen und die Welt und mich für diese Schwäche zu hassen."
Es ist beinahe wie ein Fluch. "Je stärker ich mich dagegen wehre, umso mächtiger scheint er mich in seine Fänge zu ziehen." Tamsin war es immer wichtig, einen Job zu finden, der ihr Freude bereitet. Eben weil sie diese Erfahrung bislang noch nie gemacht hat. Und nun verlangt das Jobcenter von ihr genau das Gegenteil. "Ich muss Dinge tun, die ich so sehr hasse, dass sie mir den Verstand rauben, um zu lernen, dass das Leben nicht nur rosig ist."

Die letzten vier Wochen war Tamsin an der Kasse. Diese Woche brauchte sie nicht, was sie so sehr erleichterte, dass sie den heutigen Termin beim Amt ohne Tränen durchstehen konnte.

"Ich mach das Gut. Ich verbessere mich. Es tut mir gut.", so die Worte der anderen, die penetrant wollen, dass Tamsin den Kiosk leitet. Dass Tamsin in der Pause zum Weinen aufs Klo geht und nachts nichtmehr schlafen kann, weil dieser Alptraum sie selbst im Schlaf heimsucht, kümmert niemanden.

Demnächst wird sie in die HWI gehen. Dummerweise hat sie auch hier ihre Sorge kundgegeben. "Werde ich wie früher den ganzen Tag nur stehen müssen, bis mir die Füße bluten und Toiletten putzen bis mir der Rücken durchbricht?" In Vollzeit?
Wieder wurde gesagt, dass sie lernen muss, dass das Arbeitsleben auch negative Aufgaben bereithält.

"Wahrscheinlich werde ich stehen. Stundenlang, wenn es sein muss. Ich werde mich beklagen, weil ich diese Arbeitsschmerzen hasse, dumme Sprüche zu hören bekommen und später zum Bus humpeln. Dann mache ich mir einen Nudelbecher, werfe mich vor die Glotze und der Tag ist gelaufen."
Tamsin bewundert Menschen, die zu ihren Überzeugungen stehen. Eine Kollegin weigert sich vehement, an die Kasse zu gehen. Sie kommt damit durch und wird auch nicht ständig damit genervt oder abgemahnt, weil sie die Arbeit verweigert.
"Ich wünschte. zu erfahren, ob dem Arbeitsleben auch etwas Positives anlastet?"

>> „Dein Wille ist irrelevant, Tamsin!“

Ihre alte Chefin hat ihr Unterstützung angeboten. Obwohl Tamsin nicht weiß, wie das aus der Entfernung gehen soll, nimmt sie dieses Angebot an. "Egal, was ich tue, ich mache letztlich sowieso alles falsch."  Wie schlimm kann’s schon noch werden?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen